
🇩🇪Der dialogische Einzelnachhilfeunterricht ermöglicht einen Rollenwechsel zwischen der Nachhilfekraft und dem Nachhilfeschüler, wodurch Schüler*innen in die Lage versetzt werden, ihr Wissen auf einer tiefen Ebene zu verarbeiten. Durch gezielte Fragetechniken der Nachhilfekraft wird der Schüler dazu angeregt, sein Denken zu verbalisieren. Dies erlaubt ihm, sein Wissen zu reflektieren, neu zu organisieren, zu durchdenken und eigenständig zu korrigieren. Ein solcher Ansatz erfordert von der Nachhilfekraft die Anwendung eines sokratischen Nachhilfestils im Gegensatz zu einem rein didaktischen Stil. Der Übergang vom traditionellen „I tell you“ zum „You tell me“ lässt sich besonders im dialogischen Einzelnachhilfeunterricht umsetzen und bietet im Vergleich zur Gruppennachhilfe eine einzigartige Möglichkeit, eine tiefgehende Wissensverarbeitung zu fördern. Die wissenschaftlichen Grundlagen dieser interaktiven Nachhilfemethodik werden in dem folgenden Beitrag von Derek Bitter beschrieben:
🇺🇸The dialogical one-on-one tutoring approach enables a role reversal between the tutor and the student, allowing students to process their knowledge on a deeper level. Through targeted questioning techniques by the tutor, the student is encouraged to verbalize their thinking. This process enables them to reflect on, reorganize, rethink, and independently correct their knowledge. Such an approach requires the tutor to adopt a Socratic tutoring style as opposed to a purely didactic one. The transition from the traditional „I tell you“ to „You tell me“ is particularly achievable in one-on-one tutoring sessions and, compared to group tutoring, offers a unique opportunity to foster deep knowledge processing. The scientific foundations of this interactive tutoring methodology are described in the following article by Derek Bitter:
Video-Transkript (Quelle: Derek Bitter Tutoring Research–part 3 of 3 – YouTube)
🇩🇪Willkommen zu diesem dritten Video, in dem wir erklären, was in der zweiten Studie zum interaktiven Nachhilfeunterricht passiert ist. Im vorherigen Video über naturalistischen Nachhilfeunterricht haben wir gesehen, dass, wenn Nachhilfelehrkräfte gebeten wurden, auf die für sie natürlichste und bequemste Weise zu unterrichten, sie dazu neigten, einen didaktischen Stil zu verwenden. Dabei sprachen sie viel mehr als die Schüler und forderten die Schüler aktiv zu Antworten auf. Ein Teil der Ergebnisse dieser Studie zeigte, dass, obwohl die Nachhilfelehrer viele inhaltliche Erklärungen gaben, dies den Schülern nicht half, tiefes, übertragbares Wissen zu erlangen. Tiefes Lernen fand nur statt, wenn die Schüler eigenständig Überwachungsäußerungen machten, ihre eigenen Fehler erkannten und diese korrigierten.
Nun betrachten wir die zweite Studie zum interaktiven Nachhilfeunterricht und analysieren, was passiert, wenn die gleichen Nachhilfelehrer, die jetzt mit anderen Schülern arbeiten, angewiesen werden, auf das Geben von unaufgeforderten Feedback und Erklärungen zu verzichten. Stattdessen sollten sie die Schüler zu mehr Erklärungen anregen, um den Dialog und konstruktive Antworten zu fördern. Dafür stellten die Nachhilfelehrer offene, inhaltsfreie Fragen wie:
- „Was denkst du über diesen Satz?“
- „Was bedeutet dieser Satz?“
- „Könntest du erklären, was du denkst?“
- „Kannst du das in deinen eigenen Worten erklären?“
- „Könntest du klären, was du gerade gesagt hast?“
Ein typischer Dialog in dieser Studie verlief wie folgt: Der Schüler liest einen Text, danach folgt eine Frage-Antwort-Diskussion. Wir sehen bereits, dass die Nachhilfelehrer mehr Fragen stellten als in der ersten Studie und sogar darauf verzichteten, eine Erklärung zu geben, wenn der Schüler die Antwort nicht wusste. Es wird auch deutlich, dass sich die Schüler stärker bemühten, den Inhalt zu verstehen.
Wir können uns auch einige Diagramme ansehen, um die zweite Studie mit der ersten zu vergleichen.
Das erste Diagramm zeigt, wie oft die Nachhilfelehrer und Schüler den Dialog begonnen haben. Links sehen wir, dass in der ersten Studie die Nachhilfelehrer viel öfter den Dialog begannen als die Schüler. Rechts zeigt sich, dass in der zweiten Studie die Schüler nicht nur viel öfter den Dialog eröffneten als in der ersten Studie, sondern sogar häufiger als die Nachhilfelehrer. Das zeigt uns, dass, wenn die Nachhilfelehrer sich zurücknahmen und weniger Kontrolle über den Dialog ausübten, die Schüler stärker involviert waren und die Diskussion mehr steuerten.
Das nächste Diagramm ähnelt dem ersten, zeigt aber die durchschnittliche Anzahl von Äußerungen der Nachhilfelehrer und Schüler.
Wieder sehen wir in der ersten Studie, wie viel mehr die Nachhilfelehrer gesprochen haben. In der zweiten Studie hingegen folgten die Nachhilfelehrer klar den Anweisungen der Forscher: Sie sprachen nicht nur viel weniger, sondern die Schüler übernahmen wieder die Hauptrolle im Gespräch.
Zusätzlich zeigt ein weiteres Diagramm, wie sich die Erklärungen und das Feedback der Nachhilfelehrer von der ersten zur zweiten Studie veränderten. Die Anzahl der gegebenen Erklärungen sank von 327 in der ersten Studie auf sieben in der zweiten Studie, als die Nachhilfelehrer mehr auf das Anregen von Schülerantworten setzten. Auch das Feedback sank von 94 auf 44. Diese Veränderung im Nachhilfestil wäre jedoch bedeutungslos, wenn die Schüler nicht mindestens genauso viel gelernt hätten wie in der ersten Studie.
Da die zweite Studie den Fokus auf die Anregung von Schülerantworten legte, stellt sich die Frage: Wie beeinflusste dies das Lernen der Schüler? Haben die Schüler immer noch genauso viel gelernt, und konnten sie tiefere Lernprozesse erreichen? Die Antwort lautet „Ja“. Obwohl die Nachhilfelehrer viel weniger Erklärungen gaben und die Schüler manchmal Schwierigkeiten hatten, den Inhalt zu verstehen, lernten die Schüler in der Studie mit interaktivem Nachhilfeunterricht genauso viel – und teilweise sogar mehr.
In Bezug auf die ersten drei Fragekategorien war das Lernen der Schüler in beiden Studien nahezu gleich.
Dies zeigt, dass die Schüler nicht unbedingt schlechter abschneiden, wenn die Nachhilfelehrer den Großteil des Sprechens übernehmen. Doch bei der vierten Kategorie von Fragen, die tiefes, übertragbares Lernen messen, sehen wir einen viel größeren Unterschied: Die Schüler, die angeregt wurden, konnten ihr Wissen besser übertragen als die Schüler in der ersten Studie.
Aber was ermöglichte es den Schülern in der zweiten Studie, mit ihrem Fokus auf das Anregen von Schülerantworten, tiefere Kenntnisse zu erlangen? Die Autoren nennen drei Gründe für diesen Anstieg im Lernen:
- Die Schüler waren konstruktiver, wenn sie dazu angeregt wurden ihr Denken zu verbalisieren, anstatt direkt unterrichtet zu werden.
- Der interaktive Dialog mit dem Schwerpunkt auf Fragen durch die Nachhilfelehrer ermöglichte es den Schülern, ein Konzept zu meistern.
- Die Schüler übernahmen eine größere Verantwortung für ihr eigenes Lernen
Diese drei Dinge resultieren daraus, dass der Nachhilfelehrer darauf verzichtet, Konzepte zu erklären oder alle Fragen des Schülers zu beantworten, und stattdessen den Schüler dazu anregt und ermutigt, sich selbst mit den Ideen auseinanderzusetzen.
Dieser Lehransatz, der den Schwerpunkt auf Anregung und Förderung legt, schuf eine aktive Lernumgebung und ermöglichte es den Schülern, konstruktiv zu sein, ein tieferes und übertragbares Wissen zu erlangen und mehr Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.
Video-Transcript (Quelle: Tutoring Research–part 3 of 3 – YouTube)
🇺🇸Welcome to this third video, where we´ll explain what happened in the second study on interactive tutoring. In the previous video on naturalistic tutoring we saw that when tutors were told to tutor in a way they felt most comfortable and natural, they tended to use a didactic style of tutoring where they talked much more than the student and really prompted the studet for his or her own responses. Part of the results of this study was that even though the tutors gave many expanations on the content, this did not help the students to gain deep transferable knowledge. Deep learning only happenened when students had self initiated monitoring statements where they detected their own mistakes and corrected them. We will now look at the second study on interactive tutoring and see what happenes when the same tutors who are now working with differet students were told to suppress giving unsolicited feedback and explanations and instead prompted students for mor expanations in an effort to increase dialogue and constructive responses. To do this the tutors asked open-ended content-free questions such as „Any thoughts on that sentence?“, What does this sentence mean?“, „Could you explain what you are thinking?“, „Can you explain this in your own words?“, „Could you clarify what you just said?“.
A typical dialogue in this study looks like this:
The student reads some text, then some question and answer discussion follows. We can already see, that the tutor asked more questions than in the first study and even holds back from giving an explanation when the student doesn´t know the answer. We also see the student making an effort to understand the content. We can also look at some graphs
to see how the second study compared to the first. This graph shows that the number of times that the tutor and students spoke first. On the left we can see that the tutor spoke first far more than the students in the first study. On the right we see that in the second study the students not only spoke first far more than the students did in the first study, but even spoke first more than the tutors did. This tells us that as the tutors stepped back and took less control over the dialogue, this allowed the students to be more involved and to control the discussion more. This next graph is similar to the previous one but shows us the average number of statements by the tutors and students.
Once again we see in the first study how much more the tutors talk than the students. Then in the second study we can see that the tutors clearly followed the direcdtinos of the researchers that not only did the tutors talk much less, but the students once again spoke more than the tutors. In addition we can also see how the tutors´explanations and feedback changed from the first study to the second.
The number of explanations they gave went form 327 in the first tutoring study down to seven in the second study, when they prompted more. The amount of feedback they gave also went from 94 to 44. However, the difference in tutoring style does not mean much, unless the students learned at least as much as the students did in the first study.
Since the second study focused on prompting students, the questions is: how did this affect student learning? Did the students still learn as much and were they able to achieve deeper learning? The answer is „yes“. Even though the tutors gave far fewer explanations and the students seemed to even struggle at times to understand the content, the students in the interactive prompting study learned just as much and even more.
We can see here, that in terms of the first three questions categories, that student learning was nearly equal in both studies.
This is significant but also tells us that the students are not necessarily wores off when the tutor does most of the talking. However, when wie look at the fourth category of questions that measure deep transferable learning, we see a much bigger difference with the prompeted students being able to transfer their learning better than the tutored students in the first study.
But what was it in the second study with ist emphasis on prompting students, that allowed the students to gain deeper knowledge? There are three reasons, that the authors site for the increase in learing from the prompted students. The first is that students were more constructive when prompted as opposed to being directly tutored. The second ist that the interactive dialogue with the emphasis on the tutor asking more questions, allows students to be able to master an idea. And third, the students took greater responsibility for their learning.
These three things are the result of the tutor holding back from explaining concepts and even answering all the student´s questions and instead prompting and allowing the student to put forth the effort to work through the ideas.
This teaching approach with the emphasis on prompting, created an active learning environment and allowed students to be constructive, gain deeper, more transferarable knowledge and to take more responsibility over their learning.